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Rechtskräftige Gerichtsentscheidungen

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Sedierung mit Propofol

Inzwischen liegen rechtskräftige Gerichtsentscheidungen vor, in denen es um Todesfälle bei und nach (endoskopischen) Operationen ging, in denen der Operateur – im Widerspruch zu den Empfehlungen, Leitlinien, Herstellerinformationen – für die Analgosedierung unter Verwendung von Propofol, auf die Zuziehung eines 2. Arztes verzichtet hatte und diese ärztliche Aufgabe in Doppelverantwortung, neben der Operation, miterledigte.

Urteil des LG München I (2006)

1 AG München Urt. v. 13.122005 - 824 Ds 125, ArztR 2007, 69, rechtskräftig durch LG München 1, Urt. v. 26.7.2006 - 16 Ns. 125, ArztR 2007, 73 m. Anm. Schulte-Sasse/Bruns, ArztR 2007, 116. Zum Artikel

Im Lehrbuch „Der Narkosezwischenfall“

2 Schüttler J., Biermann E. (2010) Der Narkosezwischenfall, 2. Auflg., Thime S. 197-199

wird das rechtskräftigen Urteils des LG München I besprochen: in dem von dem Gericht entschiedenen Fall ging es um eine tödlich endende Propofolgabe durch einen einzigen Arzt, ein Gynäkologe, der gleichzeitig den operativen Eingriff vornahm und darauf verzichtet hatte, einen 2. Arzt mit der Überwachung der Patientin unter Propofol zu betrauen:

3 Schüttler J., Biermann E. (2010) Der Narkosezwischenfall, 2. Auflg., Thime S. 197-199
  • Der Angeklagte führte den Eingriff in seinen Praxisräumen ohne Hinzuziehung eines weiteren Kollegen, insbesondere eines anästhesiologisch oder intensivmedizinisch ausgebildeten Arztes, durch. Der Angeklagte hätte insoweit erkennen können und müssen, dass nach den Regeln der ärztlichen Kunst, insbesondere auch laut der Gebrauchsinformation des Herstellers von Propofol, dieses Anästhetikum nur in Krankenhäusern oder in adäquat ausgerüsteten Tageskliniken von anästhesiologisch bzw. intensivmedizinisch ausgebildeten Ärzten verabreicht werden darf.“
  • „Hätte der Angeklagte bei der Operation einen entsprechend ausgebildeten Arzt zur Überwachung der Vitalparameter hinzugezogen und wäre seine Praxis apparativ ausreichend ausgestattet gewesen, wäre es nicht zu dem Atemstillstand, dem daraus resultierenden hypoxischen Hirnschaden und nicht zum Tode der Patientin gekommen.“
  • „Weil der Gynäkologe seine Praxis über 4 Jahrzehnte geführt hatte, ohne strafrechtlich in Erscheinung getreten zu sein, und zudem seine Praxis kurz nach dem Zwischenfall aufgegeben hatte, außerdem ein „umfassendes und von Reue getragenes Geständnis abgelegt“, sein tiefes Bedauern in einem „persönlich gehaltenen, an den Ehemann des Opfers gerichteten Brief ausgedrückt“ hatte, kommt die Strafkammer des LG zu dem Ergebnis, die Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 8 Monaten zur Bewährung auszusetzen.“

Urteil des AG Augsburg v. 21.11.2013 – 08 Ls 200 Js 112337/09

Gatroskopie und Koloskopie ohne zweiten Arzt

4 Bruns W. (2014), Gastroskopie und Koloskopie ohne zweiten Arzt. ArztR 49:117–125 Zum Artikel

„Das Amtsgericht Augsburg hat einen Gastroenterologen nach einer Sedierungs-Komplikation mit Todesfolge zu einer Freihheitsstrafe verurteilt, weil dieser keinen zweiten Arzt zur Überwachung hinzugezogen hatte.“

„Sedierungen ohne zweiten Arzt sind gefährlich: Für den Patienten, aber auch für den Arzt. Wer z.B. meint, Propofol für Sedierungen verwenden zu können, ohne die Herstellerinformation oder die einschlägige S 3-Leitlinie einzuhalten, lebt gefährlich, weil er im Schadensfall nicht nur eine zivilrechtliche Verurteilung zu Schadensersatz und Schmerzensgeld, sondern auch eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung oder sogar Körperverletzung mit Todesfolge riskiert.

Das nachfolgend wiedergegebene Urteil des Amtsgerichts Augsburg betrifft einen Extremfall. Es stellt aber auch für alltägliche „Standardsedierungen“ eine deutliche Warnung dar. Die Gerichte erkennen bei Sedierungszwischenfällen zunehmend die zugrunde liegende strukturelle Problematik, d.h. die schadensstiftende personelle Unterversorgung des Patienten. Sedierungszwischenfälle werden damit nicht mehr als schicksalhaft akzeptiert. Der medizinisch vorgegebene Sedierungsstandard wird juristisch nachvollzogen – durch Verurteilung der Ärzte, die diesen Standard zum Nachteil ihrer Patienten verfehlen.“

Sedierung bei Endoskopie nur mit zweitem Arzt oder geschulter Pflegekraft
(mit Anmerkung von Tim Neelmeier)

5 Zeitschrift VersR 2014, Heft 17 AG Augsburg: Sedierung bei Endoskopie nur mit zweitem Arzt oder geschulter Pflegekraft (mit Anmerkung von Tim Neelmeier)
Mit freundlicher Genehmigung des Verlages Zum Artikel

„Bei der Sedierung, insbesondere bei der Gastroskopie ist der den Eingriff durchführende Arzt verpflichtet, eine zwei­te, in der Regel ärztliche Person hinzuzuziehen, die für das Sedierungsverfahren und für die Überwachung der Vital­funktionen verantwortlich ist. Wird ein Sedierungsgrad er­reicht, bei dem lebenserhaltende Reflexe beeinträchtigt werden, darf der Eingriff nur fortgesetzt werden, wenn ein Anästhesist hinzugezogen wird.“