


Fallbeispiele
Fallbeispiel mit positivem Ausgang
So war es, als kurz vor Weihnachten eine Kollegin aus einer Berliner Universitätsklinik nachts um 23:00 Uhr anrief und von einem 34-jährigen Mann berichtete, der kurz nach einer banalen Mandeloperation Lungenversagen und Kreislaufschock entwickelte und bereits zweimal nach einem Herzstillstand wiederbelebt werden musste. Die Beschreibung der Zeichen, die die Ärztin während und nach der Operation beobachte hatte, überzeugten den Anaesthesie-Oberarzt Herr Dr. Röll, der in der Nacht am Klinikum Gesundbrunnen für die hotline Beratung zuständig war, sehr schnell, dass die Berliner Kollegen um das Leben eines Patienten mit voll ausgeprägter Malignen Hyperthermie kämpften. Die Zeit drängte außerordentlich, denn die Krise war schon sehr weit fortgeschritten.
Im Befolgen der Empfehlung aus Heilbronn wurden nun in rascher Folge hohe Dosen des lebensrettenden Medikamentes Dantrolen gegeben. Da nicht genügend zur Verfügung stand, musste in aller Eile weiteres Dantrolen aus benachbarten Krankenhäusern herbei geschafft werden. Schließlich war das Krankheitsbild in den frühen Morgenstunden beherrscht, der Patient hat folgenlos überlebt und konnte in der ersten Woche des neuen Jahrtausend entlassen werden.
Fallbeispiel mit negativem Ausgang
Nicht so ein Glück hatte die junge Frau, bei der zwei Tage vor Silvester in einer HNO-Praxis ein ambulant geplanter Eingriff vorgenommen wurde – sie überlebte den Jahreswechsel nur um wenige Stunden. Während der halbstündigen Operation entwickelte die Patientin eine Maligne Hyperthermie Krise. In der Praxis fehlten apparative Möglichkeiten die Diagnose zu stellen, es fehlte das lebensrettende Medikament. Die Ärzte rufen in ihrer Verzweiflung den Notarzt und lassen die junge Mutter – schon mit den Zeichen des Sauerstoffmangels im Gehirn, ohne messbaren Blutdruck – zur Intensivstation eines Krankenhauses in der Nähe bringen.
Die Fachärzte erkennen dort sofort die Maligne Hyperthermie und rufen noch während die erste Dosis des in diesem Krankenhaus verzugslos verfügbaren Dantrolen einläuft, in Heilbronn an. Über die folgende zwei Tage und Nächte besprechen sich die Intensivmediziner immer wieder mit den Anaesthesie-Spezialisten in Heilbronn und beraten, was noch für die Patientin getan werden kann, ohne jedoch verhindern zu können, dass ein Organ nach dem anderen versagt. Die junge Frau stirbt in den frühen Morgenstunden während viele Menschen das neue Jahr begrüßen.
Auf den Ernstfall vorbereitet sein
Solche traurigen Erfahrungen, die Professor Schulte-Sasse beim Betrieb der deutschen Malignen Hyperthermie hotline über mehr als 25 Jahre gemacht hat, haben bei ihm zu der Überzeugung geführt, dass weniger der Mangel von Wissen um die Maligne Hyperthermie für Todesfälle verantwortlich ist, vielmehr ist es ein Mangel an Problembewußtsein: wiederholt fehlt die Vorstellung, dass die in allen Lehrbüchern des Faches ausführlich beschriebene Komplikation – als Blitz aus heiterem Himmel – bittere Wirklichkeit werden kann, und zwar an jedem Ort – Praxis, Tagesklinik, Kreiskrankenhaus oder Universitätsklinik – und dies zu jeder Zeit, innerhalb von Minuten, verbunden mit höchster Lebensgefahr für den Patienten.
Dieser mangelnden Vorstellungskraft folgt – geradezu automatisch – ein zweiter Mangel, der sich dann, in der konkreten Situation tödlich auswirkt: es ist das Versäumnis, eine Infrastruktur aufzubauen und zu pflegen, die es erlaubt, personell, apparativ und medikamentös verzugslos die Maligne Hyperthermie zu erkennen und eine Behandlung einzuleiten. Die Maligne Hyperthermie ist viel zu gefährlich, als dass es genügen würde, im Moment der Krise das "Rad neu zu erfinden", und sich erst jetzt mit der Komplikation vertraut zu machen und oder erst jetzt den Versuch zu unternehmen, das lebensrettende Dantrolen herbei zu schaffen, oder den Patienten in ein anderes Zentrum zu verlegen, wo diese Infrastruktur gegeben ist.
Die MH-hotline ein wirkunsgsvolles Instrument um die Patientensicherheit zu erhöhen
Die Analyse dieser vielen Einzelfälle ließ gemeinsame Wirkmechanismen erkennen und erlaubte den Heilbronner Anaesthesisten Empfehlungen für die zukünftige Vermeidung der Komplikation auszusprechen. Damit hat sich die Maligne Hyperthermie hotline als ein wirkungsvolles Instrument in dem heute so betonten Risiko Management bewiesen.