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Organisationsanforderungen, damit es nicht zu einem Geburtsschaden kommt

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Geburtshilfe

Organisationsanforderungen, damit es nicht zu einem Geburtsschaden kommt

Die Organisation der Notfall-Bereitschaft – Anwesenheitsdienst oder Rufbereitschaft der Ärzte – bestimmt, ob eine Notsituation „mit angemessener Sicherheit“ zu behandeln ist – oder nicht zu behandeln ist.

Geburtshilfe mit Anwesenheitsdiensten

Um ein Kind vor bleibenden Schäden zu schützen, um es im „jederzeit in jedem Kreißsaal“ möglichen Falle von Sauerstoffmangel per Notkaiserschnitt innerhalb von (unter ungünstigsten Bedingungen) 10 Minuten auf die Welt bringen und es dann sofort neonatologisch weiterversorgen zu können, müssen

  • ein Frauenarzt („Geburtshelfer“) für das Stellen der Notfallindikation und Durchführen der Notsectio
  • ein Narkosearzt zum Durchführen der Narkose
  • und ein speziell qualifizierter Kinderarzt zur neonatologischen Erst- und Nachversorgung des Kindes

in der geburtshilflichen Einrichtung anwesend sein und zwar: rund um die Uhr.

Vor diesem Hintergrund stellt die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) fest:

1 AG Augsburg: Sedierung bei Endoskopie nur mit zweitem Arzt oder geschulter Pflegekraft VersR | Mit Anmerkung von Tim Neelmeier, VersR 2014, Heft 17 zum Artikel

In Einrichtungen mit rund um die Uhr Anwesenheit von Geburtshelfer und Anästhesist, dies eine Notfallzeit von 10-15 min ermöglichend

  •  „Entscheidungs-Entbindungs-Zeit? 10 min + Wegzeit 1-5 min = Notfallzeit von 10-15 min,“
2 Die sogenannte Entscheidungs-Entbindungszeit umfasst die Zeit von der Entscheidung zum Kaiserschnitt über Alarmierung des OP-Teams bis zur Geburt des Kindes.

lassen sich die absolut eiligen geburtshilflichen Notfälle – wie etwa eine Nabelschnurkomplikation (Nabelschnurumschlingung um den kindlichen Hals) – „mit angemessener Sicherheit behandeln“.

Geburtshilfe ohne Anwesenheitsdiensten

In Einrichtungen ohne Anwesenheitsdienste, nur mit Rufbereitschaften, „dürfen“ nach Erkennen der Notsituation bis zu 30 Minuten vergehen, bis der rettende Notkaiserschnitt durchgeführt ist.

Diese „erlaubte“ Notfallzeit ist in einem gegebenen Notfall für das Kind häufig zu lang.

Neben Kliniken, in denen Geburtshelfer, Narkosearzt und Neonatologe rund um die Uhr in der Klinik anwesend sind, gibt es (kleinere) Kliniken, in denen die notwendigen Ärzte in Rufbereitschaft sind und bei einem Notfall erst in die Klinik gerufen werden müssen. Zur Organisation von geburtshilflichen Abteilungen mit Rufbereitschaft führt die Fachgesellschaft der Frauenärzte (DGGG) aus:

3 Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) Stellungnahme zur Frage der erlaubten Zeit zwischen Indikationsstellung und Sectio (E-E-Zeit) bei einer Notlage. In: Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe (2010) Bd. III, S. 320
  • „Für die Geburtshilfe ist rund um die Uhr eine Versorgung auf Facharztniveau verfügbar. Während einer Rufbereitschaft ist ein Eintreffen in der Klinik innerhalb von 10 Minuten zu gewährleisten.“
  • „Die Notfallbereitschaft muss das Einhalten einer Notfallzeit von 30 Minuten ermöglichen: Entscheidungs-Entbindungs-Zeit 20 Min + Wegzeit 10 Min = Notfallzeit von 30 Min.“

Angesichtes der der Sauerstoffmangel-Toleranz des kindlichen Gehirns geschuldeten Erkenntnis:

4 Vetter K. (2003) Geburtseinleitung und EE-Zeit kritisch betrachtet. Frauenarzt 44: 630-631
  • „Wir wissen, dass ab zehn, sicher ab 18 Minuten bei einer absoluten Versorgungsstörung mit bleibenden Schäden beim Kind zu rechnen ist. Um solche Fälle, wenn sie denn in der Klinik auftreten, meistern zu können, müsste die Entbindung innerhalb dieser Zeit stattfinden, d.h. in deutlich weniger als 20 Minuten.

ist der Hinweis der Fachgesellschaft nur zu berechtigt:

5 Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) Empfehlungen für die strukturellen Voraussetzungen der perinatologischen Versorgung in Deutschland. In: Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe (2010) Bd. III, S. 284-285
  • „Der Zeitraum von 20 Minuten ist in einem gegebenen Notfall für das Kind häufig zu lang“
  • „Diese Zeitvorgabe (Anm.: gemeint ist die EE Zeit von 20 Minuten) ist ein Tribut an die Art der Versorgung, nicht etwa eine biologisch oder medizinisch begründete Zeitspanne. Hierbei erscheint es zumindest bedenklich, den Standard ggf. so weit abzusenken, dass auch mit reduzierter Infrastruktur dieser Standard noch realisierbar ist, vor allem dann, wenn dieser abgesenkte Standard nicht medizinisch zu begründen ist …“
6 Hitschold T. Ökonomisierung in der Medizin und ihre Auswirkungen auf den Behandlungsstandard in der Geburtshilfe. In: Kudlich H, Koch J (Hrsg.): Ökonomie, medizinische Standards und rechtliche Haftung, Nomos, Baden-Baden 2017, S. 25-43

um dann zutreffend festzustellen

7 Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) Empfehlungen für die strukturellen Voraussetzungen der perinatologischen Versorgung in Deutschland. In: Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe (2010) Bd. III, S. 285
  • „Die absolut eiligen Notfälle, wie Uterusruptur, Abruptio placentae, Nabelschnurkomplikation oder kindliche Blutung bei Placenta praevia, lassen sich in dieser Struktur (Anm.: mit Rufbereitschaften) nicht mit angemessener Sicherheit behandeln.

Bei außerklinischen Einrichtungen (Hausgeburten oder Geburten in nicht ärztlich geleiteten Geburtshäusern) stehen typischerweise überhaupt keine Ärzte – innerhalb von Minuten – zur Verfügung, um bei einem immer möglichen, überraschenden Notfall einen Notkaiserschnitt durchzuführen.

Hierzu die Fachgesellschaft:

9 Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht (AGMedR): Empfehlungen zu den ärztlichen Beratungs- und Aufklärungspflichten während der Schwangerenbetreuung und bei der Geburtshilfe. Leitlinien der Gynäkologie und Geburtshilfe. Band IV, S. 111
  • Will sich die Schwangere zur Hausgeburt oder Entbindung in einem Geburtshaus entschließen, sollte der wiederum zu dokumentierende Hinweis nicht fehlen, dass bei jeder Niederkunft unvorhersehbare Komplikationen auftreten können, die schnelle ärztliche Hilfe und unter Umständen auch operative Eingriffe erfordern, die außerklinisch nicht verfügbar sind“