


Organisationsverschulden patientenferner Entscheider und einrichtungsbezogene Aufklärung
Von RA Tim Neelmeier, LL.B. (Bucerius)
2014, 558 S., ISBN 978-3-8487-1663-0
(Schriften zum Medizinstrafrecht, Bd. 1)
Die Dissertation von Dr. jur. Tim Neelmeier zum Thema "Organisationsverschulden patientenferner Entscheider und einrichtungsbezogene Aufklärung" ist mit dem Deutschen Studienpreis 2015 ausgezeichnet worden.
Die Zunahme infrastrukturbedingter Behandlungsfehler in den letzten Jahren ist eine Nebenwirkung der ökonomisierten Medizin. Kennzeichnend für den Präventionsverlust des Strafrechts ist dabei die Inkongruenz zwischen wirtschaftlicher und rechtlicher Verantwortung der Entscheidungsträger in Kliniken und Praxen. Die behandelnden Ärzte tragen bislang das alleinige Strafverfolgungsrisiko, obwohl ihnen oftmals nur ein Übernahmeverschulden angelastet werden kann. Dieses Verantwortungsgefälle wird nicht vom Gesetz vorgegeben, sondern resultiert aus einer zu engen Gesetzesauslegung durch die Ermittlungsbehörden. Einrichtungsleitungen und behandelnde Ärzte können sich vor zivil- und strafrechtlicher Haftung schützen durch rechtzeitige Aufklärung ihrer Patienten über eine schwache Infrastruktur. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann zwar nicht über die bloße Möglichkeit eines Behandlungsfehlers befreiend aufgeklärt werden, wohl aber über bereits feststehende Standardunterschreitungen.
Zu den wesentlichen Inhalten der Dissertation siehe auch
Dr. Tim Neelmeier | Infrastrukturbedingte Behandlungsfehler
Zur Haftung sog. „patientenferner Entscheider“
SchlHA 11/2015, 420–426
„Im Mittelpunkt möglicher Verfahren gegen patientenferne Entscheider wegen infrastrukturbedingter Behandlungsfehler stehen die Fahrlässigkeitsdelikte der §§ 222, 229 StGB. Die Erfolgszurechnung scheitert nicht schon für sich genommen daran, dass ein Fehlverhalten Dritter, insbesondere der behandelnden Ärzte, als mitursächlich anzusehen ist. An eine Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Körperverletzung ist nur, aber immerhin in den Fällen zu denken, wo bewusst und zugleich ohne Aufklärung Sub-Standard-Behandlungen vorgenommen wurden.“
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